ReiseHope in your Heart – Auf Törn im Norden der Bahamas

Christian Tiedt

 · 19.02.2023

Blick vom Leuchtturm auf Hope Town Harbour mit dem offenen Atlantik im Hintergrund. Vorn im Bild schwojt unser Charter-Katamaran an seiner Muring
Foto: Nils Günter

Highlight der Abacos: Jeder Törn durch den Norden der Bahamas führt nach Hope Town. Es ist ein Ort der Hoffnung für all jene auf der Suche – nach Abstand vom Alltag zum Beispiel

Lesen Sie hier den ersten Teil der Bahamas-Reportage: REISE: Reif für die Inseln – Unterwegs auf den Bahamas

Zielstrebig durchschneidet unser Powercat das Wasser. Wir nehmen Kurs auf Elbow Cay und Hope Town – ein weiteres Highlight dieses Chartertörns durch die Abacos im Norden der Bahamas. Den rot-weiß gestreiften Leuchtturm von Elbow Reef sieht man schon von Weitem; als wir näher kommen, zeigt sich jedoch, dass er zur Hälfte verhüllt ist. Offenbar wird die historische Landmarke renoviert. Eine Stunde vor Hochwasser und mit knapp zwei Metern unter dem Kiel überqueren wir die Barre vor der Einfahrt zum Naturhafen von Hope Town. Die B etonnung vor Eagle Rock besteht aus verblassten Holzpfählen und einigen kleinen Bojen. Doch bald öffnet sich die Durchfahrt zum weiten Rund des natürlichen Hafens. Wir passieren den Leuchtturm an Steuerbord und nehmen gleich im vorderen Bereich eine der Murings, die hier balls genannt werden. Sie sind paar weise ausgelegt, um bei Katamaranen das Schwojen zu reduzieren. Da die Saison gerade erst beginnt, ist nicht viel los. Gut ein Dutzend Boote liegen hier: Charterkats und einige Monohulls. Die schönste Yacht stammt aus dem fernen Maine, eine Ketsch namens „Yonder“.

Der Leuchtturm ist weltweit der letzte von Hand betriebene. Seine Mechanik muss täglich aufgezogen werden

Wir wassern das Dingi und motoren zur Marina. Dort erfahren wir, dass das Liegegeld erst am Abend direkt am Boot kassiert wird. Also weiter zum Leuchtturm, wo ein Schild unsere Vermutung bestätigt: „Lighthouse closed for restoration works. No access.“ Kein Zutritt. Das ist schade, da wir ein Foto des Hafens von oben fest eingeplant hatten. Doch die Handwerker auf der Galerie helfen aus: Wir stecken die Canon von Nils in meinen Rucksack und knoten ihn an ein Seil, das die beiden herunterlassen und wieder hinaufziehen. Das Bild ist im Kasten!

Das Seezeichen ist weltweit das letzte seiner Art, das noch von Hand betrieben wird: Täglich muss die Mechanik wie bei einer Uhr aufgezogen werden, damit die Kerosin-Laterne sich nachts drehen kann. Auch hier hat Hurricane Dorian vor drei Jahren Spuren hinterlassen, daher die umfangreiche Renovierung.

Wir verlassen das Gelände, setzen mit dem Dingi über den Hafen und machen am Lower Public Dock fest. Tatsächlich gibt es sogar noch mehr Anleger : für die Fußgängerfähre und für das Versorgungs- und Arbeitsboot mit seiner breiten Klappe am Bug. Dazu kommen die Schnellfähren, die nach Marsh Harbour pendeln. Kaum haben wir festgemacht, laufen wir schon vier grinsenden Piraten im Golf-Cart über den Weg. Ihre Beute: eine Palette Bier und eine Flasche Rum. Klar, beim Feiern darf man keine Zeit verschwenden und fängt am besten schon vormittags an: „If you wanna be a pirate, you gotta do the pirate stuff !“, johlen sie und jagen auf vier winzigen Rädern davon.

Tatsächlich gibt es wohl keine Gegend der Weltmeere, die mehr Piraten beheimatete als die Bahamas: Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts sollen es eintausend gewesen sein, darunter so illustre Namen wie Stede Bonnet, Charles Vane oder auch Edward Teach, besser bekannt als Blackbeard. Doch diese (zumindest für einige von ihnen) goldene Ära der Freibeuterei endete 1718 mit der Ankunft von Gouverneur Woodes Rogers in Nassau. Per Amnestie brachte er viele dazu, ihre Totenkopfflaggen einzuholen. Einige jedoch versteckten sich auf den Abacos, wo sich ihre Spur verlor – und jene ihrer Schätze …

Die bunten Häuser haben Namen, die nach Ferien und kleinen Fluchten klingen

Von einem Freibeuternest hat das heutige Hope Town jedenfalls nichts mehr. Auch die zerstörerischen Spuren von Hurricane Dorian sieht man kaum noch, allerdings sind viele der Gebäude eindeutig neu. Strahlende Farben, viel Pastell, elegante Gärten, eingefasst von leuchtend weißem Lattenwerk. Die Häuser haben Namen, die nach Ferien und kleinen Fluchten klingen – Tranquility, Endless Summer, Rocky Retreat. Davor: ausladende Blütenpracht und einladende Bänke. Die von Palmen beschattete Promenade ist zwar keine fünfzig Meter lang, aber für Golf-Carts tabu. Eine kleine Sichel aus Sand stellt sich als Ort heraus, an dem die ersten Siedler landeten – Flüchtlinge.

Nach jahrelangem Krieg hatte Großbritannien 1783 die Unabhängigkeit der jungen Vereinigten Staaten anerkannt. Viele Loyalisten verließen daraufhin das Land, von New York im Norden bis Florida im Süden. Eilig suchte man nach einer neuen Heimat für diese treuen Untertanen. Die Bahamas gehörten nach wie vor zur britischen Krone. So fiel der Blick auf die noch unbesiedelten Abacos und bald schon gingen die ersten Frachtsegler vor Anker, darunter eine Brigantine, deren Name für die gesamte Unternehmung gelten konnte: „Hope“. Trotz schwieriger Bedingungen – die landwirtschaftlichen Voraussetzungen waren bei Weitem nicht so rosig, wie sie den Siedlern angepriesen worden waren – entwickelten sich die Niederlassungen prächtig. Als die Bahamas vor fünfzig Jahren schließlich selbst die Unabhängigkeit erlangten, dachte jedenfalls niemand mehr daran, deshalb die Koffer zu packen.

Inzwischen sitzen wir mit conch fritters auf der Terrasse von Cap’n Jack’s, direkt über dem Wasser mit Blick auf unseren Katamaran und den Leuchtturm dahinter. Schwer fällt die Entscheidung nicht, morgen noch einen Tag zu bleiben, um die Insel zu erkunden: Der Süden von Elbow Cay wartet auf uns.

Wir lassen die Fahrräder zurück und gehen bis zur Spitze des Strandes

Zum Sundowner geht es auf unsere Flybridge. Die Dämmerung ist kurz und bald spiegeln sich die Ankerlichter auf dem Wasser. Der Wind wird im Lauf des Tages auf Nord drehen und zunehmen. Bis zu zwanzig Knoten sind für übermorgen angesagt – und Regen. An unserem Plan für heute ändert sich nichts: Nach dem Frühstück packen wir unsere Sachen für den Strand. Eigentlich wollten wir ein Golf-Cart mieten, ein wenig Bewegung ist aber auch nicht schlecht. Also Fahrräder. Bei Abaco Sun Bicycle Rentals sind wir die einzigen Kunden. Für je zehn Dollar bekommen wir zwei blaue fixie beach cruiser mit ziemlich bequemen Satteln und ordentlicher Übersetzung – aber eben nur mit einem einzelnen Gang. Noch halten wir das für kein Problem und strampeln los, am Nigh Creek aus dem Ort hinaus, einem natürlichen Kanal, der von Mangroven gesäumt wird. Spätestens um siebzehn Uhr wollen wir zurück sein, wenn der Laden schließt. Dann kommt der erste steile Hügel. Und dann der nächste: Offenbar wirken die Inseln nur vom Wasser flach. Mit nur einem Gang kommen wir bei den Anhöhen gut ins Schwitzen, doch der Fahrtwind kühlt.

Die Asphaltstraße windet sich nach Süden, vorbei an weißen Ferienhäusern und den inzwischen ebenso vertrauten bunten Weg weisern mit den Herkunftsorten ihrer Eigentümer. Sand auf der Straße, Buschwerk daneben. Ein bisschen wie Sylt im Hochsommer. Außer dass links gefahren wird. Dreieinhalb Meilen sind es in den Süden von Elbow Cay, vorbei an White Sound Harbour, dann nach rechts und weiter, bis der Weg an einem Parkplatz endet. Dahinter die türkise Bucht und der Strand: Tahiti Beach. Eine Sackgasse im Paradies. Wir lassen die Fahrräder zurück und gehen bis zur Spitze, wo der Sand in einer flachen Zunge ins Meer hineinläuft. Hier stehen auch zwei Palmen (es waren sicher mehr vor Dorian), die genug Schatten für uns und unsere Rucksäcke bieten. Etwas weiter draußen in der Bucht ankern zwei Segelkats, ein Pärchen kommt mit ihrem gemieteten Daycruiser fast bis ans Ufer. Hier auf der geschützten Innenseite von Elbow Cay ist das möglich. Wir bleiben so lange im Wasser, wie es die brennende Sonne zulässt.

Auf dem Rückweg kommen wir nur bis zur Abaco Inn. „Tan your toes in the Abacos“ lautet ihr Motto. Also wieder raus aus den Schuhen und ab auf die Terrasse! Unten rollen die Brecher auf den harten Strand. Das lokale Kalik ist eiskalt. Manchmal lohnt es sich, auf die Belohnung zu warten. Eine Stunde vergeht, dem Bier folgt ein Cocktail. Allerdings warten wir vergeblich darauf, dass sich das fotogene Wellenreiterpärchen (er Rasta, sie mit wilder blonder Mähne, beide mit strahlenden Zähnen) in die Brandung stürzt, und verabschieden uns – nur um eine Meile später bei On Da Beach erneut zu halten. Ocean view die Zweite, voraus der Atlantik, im Rücken die Bar mit einer Pyramide von Flaschen dahinter. Wir ordern surf and turf und big bird und philosophieren einmal mehr über das Reisen. Mit Blick auf den offenen Horizont geht es auch gar nicht anders. Spät streichen wir die Segel, treten noch einmal in die Pedale und sind schon bald zurück in Hope Town. Was für ein Tag!

Am Abend kommen dann die Wolken als Vorboten des angekündigten Regens. Doch da blitzt ein einzelner Stern hervor. Vielleicht haben wir ja doch Glück? Die Hoffnung bleibt!


Service

 | Karte: Christian Tiedt
| Karte: Christian Tiedt

Törnetappen

S Marsh Harbour – Great Guana Cay: 12,5 sm

  1. Great Guana Cay – Man-O-War Cay: 7,5 sm
  2. Man-O-War Cay – Elbow Cay: 6,5 sm
  3. Elbow Cay – Little Harbour: 19,5 sm
  4. Little Harbour – Marsh Harbour: 15,5 sm

Z Marsh Harbour

Gesamtstrecke: 61,5 sm

Wetter- und Klimakarte | Karte: BOOTE
Wetter- und Klimakarte | Karte: BOOTE

Literatur

Revierhandbuch „The Cruising Guide to Abaco 2022“ (erscheint jährlich, an Bord vorhanden) von Steve, Jon und Jeff Dodge. White Sound Press; 176 S., 84 Revierkarten und -detailpläne, 88 Fotos, Revier- und Hintergrundinfos, Gezeitentabelle, Wegpunkte, Format 28 x 22,5 cm, spiralgeb.; 45,60 €. Bezug über: www.hansenautic.de

Sportbootkarten„NV.Atlas Bahamas 9.1 Northwest“ (2022/23) von NV Charts; 26 S., 7 Übersegler, 16 Revierkarten, Format A3, geheftet, mit Marinaguide (50 S., A4); 69,80 €. www.nvcharts.com

 | Zeichnung: Christian Tiedt
| Zeichnung: Christian Tiedt

Moorings 433 PC (Motorkatamaran) · Länge: 13 m · Breite: 6,72 m · Tiefgang: 1,00 m · Reisegeschwindigkeit: 8 kn · Motor: 2x 320 PS (Diesel) · Plotter · Dingi in Davits · Generator · Wetbar/Grill · Kabinen: 3 (3 Doppelkojen) · Dusche/WC: 2 · Preisbeispiele für eine Charterwoche: ab 8644 Euro (Start: 1. November 2023), ab 11.774 Euro (Start: 1. April 2024)

Chartern: Der Stützpunkt Marsh Harbour auf Great Abaco in den Abacos ist Teil des weltweiten Charterangebots von The Moorings. Das Unternehmen verfügt in den Bahamas über eine zweite Basis in Nassau (das Revier sind die Exumas) und noch über fünf weitere in der Karibik. Informationen: The Moorings, Theodor-Heuss-Str. 53 – 63, Eingang B, 61118 Bad Vilbel, Tel. 06101-55 79 15 22. www.moorings.de

Nautische Informationen

Das Revier: Über knapp 100 Kilometer erstreckt sich die Sea of Abaco vor der Ostküste der Insel Great Abaco. Im Osten wird die Salzwasserlagune durch eine Kette lang gestreckter Cays vom offenen Nordatlantik abgegrenzt. Auf der Seeseite sind wiederum Korallenriffe vorgelagert. Die Sea of Abaco ist größtenteils flach (zwei bis vier Meter) mit gleichmäßigem Bodenprofil, was die Navigation zwar erleichtert, aufgrund des mittleren Tidenhubs von rund einem Meter aber nicht nur in sehr flachen Bereichen besondere Umsicht bei der Navigation voraussetzt. Fahrwasser sind auf der Karte ausgewiesen, Betonnung ist jedoch kaum vorhanden. Alle Skipper benötigen einen entsprechenden nautischen Befähigungsnachweis ihres Heimatlandes.


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